Bericht Saarbrücker Zeitung 06.06.2020
Saarbrücken Der Saarländische Fußballverband hat die Weichen für den ersten virtuellen Verbandstag seiner Geschichte am Dienstag gestellt.
Von Patric Cordier
Noch einmal bringt Andreas Schwinn Adrian Zöhler in Position: „Das ist dann dein Pult, von wo aus du die Versammlung leiten wirst“, erklärt der Geschäftsführer des Saarländischen Fußball-Verbands (SFV) seinem Vizepräsidenten: „Hier im Laptop ist die Kamera und das Mikrofon.“ Die Vorbereitungen auf den ersten virtuellen Verbandstag der SFV-Geschichte an diesem Dienstag ab 18 Uhr laufen auf Hochtouren. „Am Ende sind es sicher 25 komplette Arbeitstage, die alleine in der technischen Vorbereitung stecken“, erklärt Schwinn.
Rund 370 Vereine werden am Dienstag 578 Stimmen abgeben können – je mehr Mannschaften ein Club gemeldet hat, desto mehr Stimmen hat er. Mit jeweils fünf Stimmen sind der 1. FC Riegelsberg und der FV Schwalbach die „stimmgewaltigsten“. Dazu mussten die Delegierten angemeldet werden, damit sie für die Videokonferenz und die Abstimmungstechnik freigeschaltet werden können. „Jeder Delegierte erhält einen Abstimmungscode, der uns nicht bekannt ist“, erläutert Schwinn: „Damit ist gewährleistet, dass die Abstimmungen auch wirklich geheim ablaufen können.“ Info 20 Vereine stellen eigene Anträge zur Wahl
Eigene Anträge für den ersten virtuellen Verbandstag des Saarländischen Fußballverbandes (SFV) gestellt haben die SF Hostenbach, der FC Neuweiler, der TuS Lappentascherhof, der VfL Primstal, die SF Bietzen-Harlingen, der TuS Nohfelden, die DJK Ballweiler-Wecklingen, der SSV Oppen (drei Anträge), die SF Winterbach, der FC Noswendel-Wadern und der SV Weiskirchen-Konfeld (zwei Doppelanträge), der FC Beckingen (zwei Anträge), der FV Biesingen, der FC Kleinblittersdorf, der ATSV Saarbrücken, der SV Steinberg-Deckenhardt, der FC Rastpfuhl, der VfR Otzenhausen, der FSV Hilbringen und die DJK Püttlingen (vier Anträge).
Der SFV selbst stellt den Antrag, die Saison abzubrechen. Meister und Aufsteiger soll die Mannschaft mit dem höchsten Punkte-Quotienten sein. Absteiger soll es keine geben, alle Relegationsspiele entfallen.
Die Kosten für die technische Umsetzung belaufen sich auf 2500 Euro – zum Vergleich: Der virtuelle DFB-Bundestag bewegte sich dem Vernehmen nach im sechsstelligen Bereich. „Wir sind der erste Landesverband, der einen solchen Verbandstag durchführt“, sagt SFV-Geschäftsführer Schwinn: „Daher schauen viele auf uns und wollen von unseren Erfahrungen profitieren.“ Das Rederecht wird über eine Meldefunktion erteilt, anders als beim Bundestag ist eine abgegebene Stimme nicht abzuändern.
Rechtssicherheit und Rechtskonformität – zwei Kernpunkte, die sowohl für die Durchführung als auch für die über 20 Anträge gelten, die mittlerweile beim SFV eingegangen sind. Fast alle beschäftigen sich mit der Fortführung oder dem Abbruch der Saison 2019/2020. Ein Vorschlag lautet zum Beispiel, am Dienstag nichts zu entscheiden und die Entwicklung in der Corona-Pandemie abzuwarten. „Als erstes wird die Versammlung darüber entscheiden, ob wir im Falle, dass die Leitung zusammenbricht, am Mittwoch noch einmal einen Verbandstag starten oder ob wir unter Wahrung der Einladungsfrist erst in vier Wochen erneut tagen“, sagt Zöhler.
Darüber hinaus soll der SFV-Vorstand die Vollmacht erhalten, die Spielordnung für die Saison 2020/2021 auf die Pandemie- und Rechtsgegebenheiten anzupassen, ohne ein weiters Vereinsvotum abzufragen. Der aktuelle Saarlandpokal bei den Männern, den Frauen und der A-Jugend soll auf sportlichem Weg ausgespielt werden, voraussichtlich im August und September, um einen DFB-Pokal-Teilnehmer stellen zu können. Der DFB-Pokal wird angepasst und wohl erst im Oktober starten. Auch das gilt es zu beschließen, ehe man in die Tagesordnung einsteigt.
„Das Einfachste wäre sicher, alle Anträge gleichzeitig zur Abstimmung zu stellen. Wer die Mehrheit hat, ist dann beschlossen“, sagt Zöhler – wohlwissend, dass es so einfach nicht gehen kann und wird: „Nicht in allen Anträgen wird auf alle Aspekte eingegangen. Daher werden wir wohl ein stufenweises Vorgehen vorschlagen. Das bedeutet aber auch, dass am Ende ein Ergebnis stehen könnte, das mit keinem der Anträge übereinstimmt, die so jetzt auf dem Tisch liegen.“
In einem Baum-Diagramm hat der SFV versucht, Entscheidungswege vorzuzeichnen. Mit einem Entschluss in die eine Richtung fallen immer andere Optionen aus. Als erste Entscheidung dürfte wohl die Frage nach Fortführung oder Abbruch der Saison stehen. Entscheidet sich die Mehrheit beispielsweise für den Abbruch der Saison, folgt danach die Frage nach Annullierung oder Wertung, nach Auf- und Absteigern, nach dem Umgang mit Zweitplatzierten, nach Quotenregelung oder Halbzeit-Tabelle.
„Jede weitere Abstimmung würden wir dann genau begründen“, sagt Zöhler, der Verständnis dafür hat, dass man aus verschiedenen Anträgen mehr oder weniger direkt die Eigeninteressen des Antragsstellers herauslesen kann: „Es legitim für Vereine, einen Antrag zu stellen, aus dem sie auch einen Nutzen haben. Es obliegt dann aber dem Verbandstag zu entscheiden, ob es die Meinung aller ist oder nur vereinzelter Vereine.“
Auch wenn Anträge mit übergeordneten Regeln kollidieren, werden die Verantwortlichen reagieren. „Wir müssen auch immer die organisatorischen Folgen im Auge behalten und sagen, wenn ein Antrag nicht in die richtige Richtung führt“, ergänzt Schwinn und nennt als Beispiel das Wechselfenster. Das könne man theoretisch zwar verschieben und aufteilen – bisher in Sommer- und Wintertransferperiode – der Weltverband Fifa gestattet aber insgesamt nur 16 Wochen. „Sollten Vereine nun Amateurverträge abschließen, es könnte aber nicht gespielt werden, müssten diese trotzdem zahlen. Und das Wechseln ginge eventuell nicht mehr. Wir müssen die Vereine da auch schützen“, sagt Schwinn.
Dennoch wolle man alle Anträge grundsätzlich so behandeln, wie sie auch gestellt wurden. „Einzige Ausnahme ist die Spielklassenreform“, sagt Schwinn und erläutert: „Die Anträge gehen davon aus, dass die Spielklassenreform schon beschlossen ist. Das ist falsch. Sie sollte am Verbandstag im März beschlossen werden.“ Weil der wegen Corona nicht stattgefunden hat, gelte der Status quo, darum könne die nächste Saison auch keine „Qualifikationsrunde“ für den Klassenumbau sein. Denn der ist ja noch gar nicht beschlossen. „Für eine Entscheidung, welches Spielklassenmodell man künftig bevorzugt, ist dieser virtuelle Verbandstag nicht ausgelegt“, sagt Schwinn: „Es geht um die Fortsetzung, Beendigung oder Annulierung der Saison 2019/2020.“
Nahezu alle Landesverbände brechen die Saison ab – meist mit der Regelung, dass die Meister aufsteigen und es keine Absteiger gibt. In der Wertung wird die Quotientenregelung bevorzug. Der Bayerische Fußball-Verband hat sich bislang als einziger Landesverband für die Fortsetzung der Spielzeit entschieden. Auch ein solcher Antrag – vom ATSV Saarbrücken gestellt – liegt für Dienstag vor. Der des SFV-Vorstands geht genau in die entgegengesetzte Richtung – für einen Abbruch, so wie es im Regionalverband Südwest auch die Partnerverbände Rheinland und Südwest machen.
Da aber schwer abschätzbar ist, wieviel Redebedarf es gerade bei der Frage der Wertung der Saison gibt, dürfte die Beendigung des Verbandstages vor Beginn des DFB-Pokal-Halbfinales zwischen dem 1. FC Saarbrücken und Bayer Leverkusen (20.45 Uhr/ARD) eine ähnlich schwierige Aufgabe werden wie der Finaleinzug für den Regionalliga-Meister. „Wir Mitglieder müssen eine Entscheidung im Sinne des Sports treffen“, heißt es in einer Antragsbegründung. Es klingt wie ein Appell, dem sich alle Teilnehmer anschließen können. „Ich bin positiv angespannt“, sagt Vizepräsident Zöhler: „Wichtig ist, dass wir konstruktiv zusammenarbeiten und gemeinsam eine Lösung finden in dieser schwierigen Situation.“
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