Bericht Saarbrücker Zeitung 26.06.2020

An diesem Wochenende steht der letzte Spieltag der Fußball-Bundesliga an. Wann der Amateurfußball im Saarland wieder rollt, ist offen – doch der Druck auf die Verantwortlichen wächst. „Letztlich liegt diese Entscheidung bei den politischen Verantwortungsträgern“, sagt Professor Tim Meyer, der Mannschaftsarzt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, „ich denke, dass die Gefährdung beim Fußballspielen überschätzt wird. Die Gefährdung im Umfeld von Training oder Spiel ist viel größer.“ Meyer hat, gemeinsam mit sieben Kollegen, das strenge Konzept erarbeitet, nach dem die ersten drei Herren-Ligen in Deutschland und die Frauen-Bundesliga den Spielbetrieb mit Geisterspielen aufgenommen haben.

„Das Konzept ist im April unter immensem Zeitdruck entstanden und spiegelt die Situation damals wieder und nicht die jetzige. Es ist offenbar ein sehr sicheres Konzept, denn wir hatten bislang keine Fußball-bedingten Infektionen“, sagt der Saarbrücker Meyer, „die Ausrichtung war seinerzeit richtig – zum aktuellen Zeitpunkt sollte man das hingegen eher abgestuft gestalten, je nachdem wie die Pandemie-Bedingungen sind. Ein volles Stadion halte ich in nächster Zeit allerdings nicht für möglich.“ Die flächendeckende Nutzung der Corona-Warn-App hält er dabei für nützlich.

Laut aktueller Verordnung sind im Saarland Veranstaltungen bis 100 Personen unter freiem Himmel zulässig. „Viele unserer Spiele erreichen die Zahl an Zuschauern nicht“, räumt Adrian Zöhler, der Vize-Präsident des Saarländischen Fußball-Verbandes (SFV) und Präsident des Landessportverbandes (LSVS), ein, „wir müssen Konzepte erarbeiten, bei der die Möglichkeiten von Umkleide und Duschen genau betrachtet werden. Und die Frage der dritten Halbzeit müssen wir mit den Vereinen besprechen. Geisterspiele will niemand, Testungen sind nicht bezahlbar.“

Zöhler und Meyer blicken dabei durchaus über den Tellerrand des Fußball hinaus, wo jeder Fachverband nach maßgeschneiderten Lösungen für seine Vereine sucht. „Sportarten, in denen man ständig engen Körperkontakt hat, sind aus Sicht des Infektionsschutzes am gefährlichsten“, warnt der Mediziner, der eine holländische Studie anführt, wonach im Fußball die meisten Kontakte beim Jubeln und bei Eckstößen stattfinden: „Ich kann verstehen, wenn der ein oder andere das ungerecht findet. Man muss jede Sportart mit ihrer Charakteristik analysieren. Nur in der Umkleide sind alle gleich.“ Gerade dort müsse man vor allem die Abstandsregelungen einhalten. Die viel zitierten Aerosole „sind in geschlossenen Räumen viel problematischer als im Freien“, sagt Meyer, „Abstände kosten häufig Zeit, das muss man berücksichtigen. Dinge dauern dann länger.“

Der zeitliche Druck wird aber auch größer, denn der Deutsche Fußball-Bund will die neue DFB-Pokal-Runde bereits im September starten. Der saarländische Teilnehmer ist aber noch nicht ausgespielt. „Normalerweise räumt man den Amateurvereinen etwa sechs Wochen zur Vorbereitung der ersten DFB-Pokal-Runde ein“, rechnet Andreas Schwinn, Geschäftsführer des SFV vor, „wir wollten den noch beteiligten Vereinen vier Wochen Training vor der Fortsetzung des Saarlandpokals ermöglichen.“

Rechnet man diese zehn Wochen von Mitte September zurück, müssten die acht übrig gebliebenen Clubs kommende Woche wieder auf den Platz. „Gespielt werden soll dann innerhalb einer Woche“, sagt Schwinn, „Samstag Viertelfinale, Mittwoch Halbfinale, Samstag Finale in Elversberg. Wir gehen derzeit davon aus, ohne Zuschauer.“

Ob die Politik dazu die Freigabe erteilt, ist offen. Ob der Plan, der beim virtuellen Verbandstag so abgesegnet wurde, überhaupt durchgeführt werden kann, steht auch längst nicht fest. Denn der 1. FC Kleinblittersdorf hat ein Schiedsgerichtsverfahren beim SFV angeregt. Der Landesligist war aufgrund der Quotientenregelung vom ersten auf den zweiten Tabellenplatz abgerutscht und durfte dann wegen eines weiteren Beschlusses des Verbandstages nicht aufsteigen. Der Verein fordert nun die Aufhebung aller Verbandstags-Entscheidungen oder zumindest, dass eine Regelung gefunden wird, wonach doch weitere Aufsteiger ermittelt werden. Kleinblittersdorf führt Verfahrensfehler bei der Abstimmung ins Feld und hat den Saarbrücker Rechtsanwalt Daniel Finkler mit der Wahrung der Interessen beauftragt.

Der Verband hat nun zehn Tage Zeit, einen Bevollmächtigten zu nennen, anschließend müssen beide Parteien innerhalb weiterer zehn Tage einen Vorsitzenden des Schiedsgerichts bestimmen. „Dann sollte innerhalb von zwei Wochen eine Entscheidung da sein“, erklärt Schwinn, „sollte der Antrag Recht bekommen, müssen wir mit einer Einladungsfrist von vier Wochen einen neuen Verbandstag einberufen.“ Der wäre dann wohl Anfang September, wenn der Ball nach dem Wunsch vieler Fußballfreunde eigentlich schon wieder überall rollen sollte.

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